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LOKALES SEITE 29 | MITTWOCH 18. MAI 2022
Corona hat die Lage verschärft
Neustädter Realschule und Bad Windsheimer Wirtschaftsschule beantragen erfolgreich Jugendsozialarbeiter
Rektorin Michaela Müller (links) und Schulpsychologin Christel Randak betonten die Notwendigkeit von Jugendsozialarbeit an der Wirtschaftsschule. Foto: Gerhard Krämer
VON GERHARD KRÄMER
NEUSTADT – Die Dietrich-Bonhoeffer-Realschule in Neustadt und die Wirtschaftsschule am Beruflichen Schulzentrum (BSZ) in Bad Windsheim bekommen
eine beziehungsweise eine halbe Stelle für die Jugendsozialarbeit an Schulen. Der Jugendhilfeausschuss des Kreistages war von der Notwendigkeit überzeugt; die Zustimmung erfolgte einstimmig.
Die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) leistet laut Jugendamtsleiter Jörg Honold seit Jahren im Landkreis einen wertvollen Beitrag, um soziale Benachteiligung auszugleichen und abzumildern. Alles, was frühzeitig in Kinder und Jugendliche investiert werde, um Schlüsselkompetenzen wie Konfliktfähigkeit und Teamfähigkeit zu entwickeln, wirke sich positiv auf das Berufsleben und die gesellschaftliche Teilhabe aus. Zudem lernten die Jugendlichen, mit Problem- und Konfliktsituationen angemessen umzugehen. Das könnte zu noch mehr Chancengleichheit beitragen, so Honold.
Anderthalb Stellen für zwei Einrichtungen
Beide Schulen hatten einen entsprechenden Stellenschaffungsantrag gestellt. Nach Prüfung durch das Kreisjugendamt besteht ein Bedarf an Jugendsozialarbeit an der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule mit einer Vollzeitstelle und am BSZ mit einem Stellenumfang von 0,5. Laut Jugendamt ist mit einer Förderung von zusammen etwa 24 000 Euro für beide Positionen zu rechnen. Die Personalkosten müssten durch den Landkreis getragen werden. Realschuldirektor Marco Kunkel und Schulpsychologin Nadja Melzer hatten vor der Abstimmung dem Jugendhilfeausschuss die Neustädter Realschule, aber vor allem die sich in den vergangenen Jahren drastisch veränderte Situation ihrer Schüler und Schülerinnen vorgestellt. Die Schule hatte schon 2017
einen Antrag gestellt, der damals noch abgelehnt worden war. Kunkel hatte in seinem Antragsschreiben von einer „drastisch veränderten Situation“ gesprochen. Ausnahmen würden die Regel, Corona habe diese Entwicklung zusätzlich vorangetrieben. Kunkel zählte 13 Fälle von unterschiedlichen familiären Problemen und sieben Fälle von Schulverweigerung in den vergangenen beiden Jahren auf.
Ansprechpartner jenseits der Lehrkräfte
Nadja Melzer erachtete die Probleme als alarmierend. Es sei viel Arbeit und Begleitung nötig, um betroffene Schüler in der Schule zu halten. Ohne Hilfe würden es manche einfach nicht schaffen, und es brauche mehr Ansprechpartner außerhalb des Lehrpersonals. Genau dafür sei die Jugendsozialarbeit die ideale Ergänzung, weil sie „näher dran“ sei an den Betroffenen, während die Schulpsychologie erst reagieren könne, wenn einer oder eine vor der Tür stehe.
Für die Bad Windsheimer Wirtschaftsschule verdeutlichten deren Schulleiterin Michaela Müller und Schulpsychologin Christel Randak die Notwendigkeit und den Nutzen von JaS an ihrer Schule. Müller beklagte die geringe Zeit, die die Schulpsychologin an ihrer Schule verbringen könne. Anhand einiger Beispiele zeigten beide auf, wie wichtig Jugendsozialarbeit vor Ort ist. Erst dadurch habe man in Einzelfällen von Suizidgedanken erfahren oder von einer Bedrohung durch sexualisierte Gewalt.
Quer durch alle Fraktionen gab es einstimmige Befürwortung der beiden Anträge. Für die Jugendsozialarbeit an Schulen wird der Landkreis laut einer Prognose künftig – abzüglich der Zuschüsse und Zuwendungen – rund 184.000 Euro ausgeben müssen, wobei die Kosten eher eine untergeordnete Rolle spielten: Ein späteres Eingreifen sei wesentlich teurer, wurde mehrfach angedeutet.
„Wir sind in der Pflicht zu handeln“, meinte Ulrike Streng (CSU). Sie wisse aus eigener Erfahrung als Lehrerin an einer Berufsschule, dass sich in den vergangenen Monaten und Jahren etwas verändert habe und man nun nachjustieren müsse.
„Jedem, dem zugehört wird, der einen Ansprechpartner hat, der schlägt später nicht als schwerer Fall beim Jugendamt auf“, erklärte Gabi Schmidt (UWG). Heike Gareis (SPD) bat die Landtagsabgeordneten unter den Kreisräten, sich auch des Grundproblems dringen anzunehmen: dem massiven Mangel an Lehrkräften.